Innerhalb der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) gibt es Bestrebungen die antifaschistische Politik in Richtung einer ominösen „antitotalitären Politik“ abzulösen, um damit die Anschlussfähigkeit der VVN-BdA an die Zeitenwende-Kriegspolitik (von Die Linke, Grünen, SPD etc.) herzustellen. Ein weiterer Baustein in diese Richtung ist der Artikel von Maxi Schneider in der jüngsten Ausgabe der von der VVN-BdA herausgegeben Zeitschrift „antifa“ unter dem Titel „Als es keine Brandmauer gab“ (Link: http://www.antifa.vvn-bda.de/2023/07/11/als-es-keine-brandmauer-gab/ ). Die zutreffende Kritik an diesem Artikel veröffentlichte die „UZ – Zeitung der DKP“ in ihrer Ausgabe vom 01.09.2023, S. 10, der im Anschluss abgedruckt ist:
Eine Antwort auf den Artikel „Als es keine Brandmauer gab“ – Teil 1
Fragwürdige Thesen
von Erik Höhne | UZ vom 1. September 2023
In der Zeitschrift „antifa“, deren Herausgeber der Bundesausschuss der VVN-BdA ist, erschien im Juli der Artikel „Als es keine Brandmauer gab“. Autorin ist die Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA, Maxi Schneider. Sie unterstellt darin, dass „Querfront-Ambitionen vor dem Hintergrund des Kriegs Russlands gegen die Ukraine bei manchen der traditionell im linken Spektrum zu verortenden Akteure anschlussfähig zu sein scheinen“. Genannt werden von Schneider mehrfach die DKP und ihre Zeitung Unsere Zeit. Im ersten Teil des Artikels setzt Schneider sich mit dem Antifaschismus der KPD auseinander. Sie bemerkt, diese machte zwar keine gemeinsame Sache mit der NSDAP, aber „der Stimmenfang bei den Völkischen bestärkte nationalistisch Gesinnte, wertete die extreme Rechte als Gesprächspartner auf und unterlief die internationalistische Haltung der KPD ebenso wie ihren Kampf für Frauenrechte und ihren antifaschistischen Grundkonsens“. Der Vorsitzende der DKP, Patrik Köbele, wandte sich an die Redaktion der „antifa“ mit der Bitte, Positionen richtigstellen zu können, da die Autorin „eine Um-Schreibung der Geschichte des antifaschistischen Kampfes“ vornehme und die Postionen der DKP verdrehe. Diese Möglichkeit wurde nicht eingeräumt. Deshalb veröffentlichen wir an dieser Stelle den ersten Teil der Antwort, die sich mit den historischen Einschätzungen beschäftigt.
Die KPD habe im Laufe der 1920er und 1930er Jahre laut Schneider folgenschwere Fehler begangen, als sie versuchte, der radikalen Rechten Wähler dadurch abspenstig zu machen, indem sie die Trennlinie zu ihnen aufweichte. Sie verweist auf die „Schlageter-Rede“ von 1923, mit welcher Karl Radek – der „Deutschland-Experte“ der Komintern – den persönlichen Mut des von der französischen Armee im Zuge der Ruhrbesetzung hingerichteten rechten Freikorpsleutnants bäuerlicher Herkunft Albert Leo Schlageter würdigte – verbunden mit dem Appell an die ihm nahestehenden Kräfte in Deutschland, sich nicht länger der Einsicht in den Zusammenhang von sozialer und nationaler Befreiung zu verschließen. Als nationalistische Verirrung wird auch die „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ der KPD von 1930 mit ihrer Stoßrichtung gegen den Versailler Vertrag gewertet. Zudem habe die KPD 1931 einen von der NSDAP initiierten Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags mitgetragen und beim BVG-Streik in Berlin 1932 sich nicht gescheut, mit der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) zu kooperieren. Die ideologische Basis für diese Irrwege habe sich unter anderem aus der von der Komintern vorgegebenen Sozialfaschismusthese ergeben, wonach der Hauptstoß nicht gegen die Nazis, sondern gegen die „sozialfaschistische“ SPD zu richten sei.
Nation und Volk
Wenn Schneider kritisiert, die KPD habe versucht, sich als die konsequentere Vertreterin nationaler Interessen zu empfehlen, so ist zunächst eine prinzipielle Klarstellung nötig. Die KPD bekannte sich programmatisch zum Marxismus-Leninismus. Ist es auf dieser Basis überhaupt anrüchig, sich nationaler Interessen anzunehmen? Oder ist es nicht sogar vielmehr geboten? Karl Marx und Friedrich Engels stellten im „Kommunistischen Manifest“ klar: „Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muss, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie.“ Offenbar gibt es also verschiedene Begriffe oder vielmehr Klasseninhalte von „Nation“ – und somit aus marxistischer Sicht keinen Grund, in dieser Frage eine bloß verneinende Haltung einzunehmen.
Nicht anders verhält es sich mit dem Begriff des „Volkes“. In der Französischen Revolution gewann ein Begriff seine Gestalt, der unter „Volk“ die Gesamtheit der arbeitenden, aber nicht an der Herrschaft beteiligten Menschen verstand – in Abgrenzung zu Adel und Klerus. Danach bildete sich im Gegensatz dazu von rechts ein Verständnis, dem zufolge ein „Volk“ eine mystisch-blutsbasierte Schicksalsgemeinschaft sei, welche Herrschende und Beherrschte gleichermaßen einschließt. Bei aller möglichen Kritik an der Programmatik der KPD der Weimarer Republik ist festzustellen, dass diese sich immer dem revolutionär-republikanischen Volksbegriff verpflichtet gesehen hat und bestrebt war, der deutschen Nation einen sozialistischen Klasseninhalt zu geben.
Als Radek bei der Sitzung des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI) am 20. Juni 1923 sich auf Schlageter bezog, stellte er klar, dass es nicht darum gehen könne, „an der Leiche die Feindschaft zu vergessen“. Schlageter sei ein „mutiger Soldat der Konterrevolution“ gewesen – überzeugt davon, seinem Land zu dienen. Männer wie er stünden aber vor der Entscheidung, ob sie ihr Blut für den Profit der Monopolherren vergießen oder ob sie ihr Wirken in den Dienst des arbeitenden deutschen Volkes stellen wollen. Der Gedanke ist insofern schlüssig, als Schlageter seiner eigenen sozialen Herkunft nach nicht von vornherein für den von ihm beschrittenen Weg bestimmt war. In der achtbändigen „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED wird die Interpretation von Radeks Rede als Querfrontbestrebung zu Recht als Verleumdung zurückgewiesen, finden sich doch in ihr keine Revisionen der Parteiprogrammatik oder inhaltliche Konzessionen an den Faschismus. Allerdings haben die Historiker Heinz Marohn und Eberhard Czichon auch darauf hingewiesen, dass der Bezug auf Schlageter, der immerhin auch an Terroraktionen gegen Arbeiter beteiligt war, an der KPD-Basis vielfach als Zumutung empfunden wurde. Es kann also darüber gestritten werden, ob sich Radek politisch klug verhalten hat. Allerdings ist es zweifelhaft, ob diese Episode der KPD-Geschichte nur auf die Namen Radek und Schlageter zugespitzt werden kann. Immerhin hatte Clara Zetkin auf der gleichen EKKI-Sitzung festgestellt, „dass der Faschismus eine Bewegung von Hungrigen, Notleidenden, Existenzlosen und Enttäuschten ist“. Es müsse darum gehen, „dass wir die sozialen Schichten, die jetzt dem Faschismus verfallen, entweder unserem Kampfe eingliedern oder sie zum Mindesten für den Kampf neutralisieren“.