Die künftige Ostfront

Nachfolgend wird der Artikel „Die künftige Ostfront“, der zuerst auf http://www.german-foreign-policy.com erschienen ist, abgedruckt:

In einer Reihe vernetzter Manöver probt die NATO ab Frühjahr nächsten Jahres den Krieg gegen Russland. Deutschland beteiligt sich unter anderem mit dem Großmanöver Quadriga 2024.

BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht vom 19.12.2023) – Deutschland und seine NATO-Verbündeten werden Anfang kommenden Jahres vier Monate lang einen umfassenden Krieg gegen Russland proben. Dazu vernetzt die NATO mehrere Großmanöver, Übungen und Teilübungen zu einem simulierten „Schlachtfeldnetzwerk“ an einer künftigen Ostfront. Laut Angaben der Bundeswehr ist das Großmanöver Quadriga 2024, bei dem Deutschland im Mittelpunkt steht, der deutsche Beitrag zu der parallel laufenden übergeordneten NATO-Kriegsübung Steadfast Defender, in deren Rahmen das westliche Militärbündnis mehrere zehntausend Soldaten aller NATO-Staaten nach Osteuropa verlegen und unter anderem in Norwegen, Litauen, Polen, Deutschland, Ungarn und Rumänien den Landkrieg gegen Russland trainieren will. Berichten zufolge werden die NATO-Streitkräfte dabei erstmals auf der Grundlage realer geografischer Daten den Krieg üben. Auch der simulierte Feind wird, anders als bei Kriegsübungen sonst üblich, offen benannt: eine von Russland geführte Koalition. Quadriga 2024 soll, so heißt es bei der Bundeswehr, „insbesondere in der deutschen Öffentlichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbar“ sein.

Quadriga 2024

Die Bundesrepublik steht, wie die Bundeswehr auf ihrer Internetseite mitteilt, „im Mittelpunkt“ des von der NATO durchgeführten Großmanövers Quadriga 2024. Der Name der Kriegsübung verweise, so heißt es weiter, auf den Streitwagen, die Quadriga, auf dem Brandenburger Tor, die ein Symbol für Deutschlands „Freiheit, Einigung und Stärke“ sei. Insgesamt 12.000 Soldaten werden nach Angaben der Bundeswehr die „Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften“ trainieren; dies soll „insbesondere in der deutschen Öffentlichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbar“ sein. Wieviele von den 12.000 Militärs deutsche Soldaten sein werden, ist bislang nicht öffentlich bekannt.[1] Neben dem Deutschen Heer wird sich die Bundeswehr auch mit allen anderen Teilstreitkräften an dem Manöver beteiligen. Den offiziellen Start der Übung kündigt die Bundeswehr für den kommenden Februar an. Die militärischen Aktivitäten sollen bis in den Mai 2024 andauern.[2]

Militärdrehscheibe Deutschland

Mit der ungewöhnlich langen Dauer von Quadriga 2024 will die Bundeswehr den „Einsatz und das Führen von Truppen über einen längeren Zeitraum“ trainieren.[3] Damit hoffen die deutschen Militärs, ihre „Fähigkeiten zur schnellen Verlegung eigener Kräfte an die NATO-Ostflanke nach Norwegen, Litauen, Rumänien oder Ungarn“ zu verbessern – von der „Alarmierung“ [4] über den „Aufmarsch“ [5] „bis zum multinationalen Gefecht“ [6] an einer künftigen Ostfront. Die deutsche Armee will beispielsweise das Absichern von „Marschwegen“ trainieren – auch für den „Transfer von Partner-Streitkräften“ und deren Waffen durch die Bundesrepublik.[7] Mit Quadriga 2024 unterstreicht Deutschland seinen Anspruch, eine „riesige Drehschreibe“ für die „Truppenaufmärsche“ des NATO-Blocks an seiner Ostflanke zu sein. Damit demonstriere die Bundesrepublik ihre „Leistungsfähigkeit“ als NATO-Partner und übernehme „Führungsverantwortung“, heißt es.[8] Von der Funktion als Drehscheibe und logistische Schaltzentrale für die transatlantischen Truppenbewegungen in Richtung Ukraine und Russland erhofft Berlin sich einen Bedeutungszuwachs innerhalb der NATO.

Manöverring um Russland

Quadriga 2024 ist nicht das einzige Manöver, das die NATO im nächsten Frühjahr abhalten wird. Es ist in ein sogenanntes Übungscluster eingeflochten – ein Netz ineinandergreifender Manöver, das sich zeitlich über fünf Monate und räumlich von Norwegen bis nach Rumänien entlang der gesamten russischen Westgrenze erstreckt. Quadriga selbst setzt sich zusammen aus vier Teilübungen. Von Mitte bis Ende Februar wird die 1. Panzerdivision der Bundeswehr in dem Grand Center genannten ersten Teil der Kriegsübung in Deutschland, Polen und Litauen trainieren. In die 1. Panzerdivision hatten Berlin und Den Haag erst im März dieses Jahres die letzte niederländische Heeresbrigade eingegliedert.[9] Von Mitte Februar bis Mitte März trainieren die Division Schnelle Kräfte und die Gebirgsjägerbrigade 23 in der Teilübung Grand North in Norwegen die Kriegsführung unter extremen Wetterbedingungen.[10] Von Ende April bis Ende Mai werden deutsche Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte „die schnelle Verlegung und den Einsatz“ in Ungarn und Rumänien proben. Als „Höhepunkt“ von Quadriga 2024 gilt laut Angaben Bundeswehr die Teilübung Grand Quadriga im Mai. Dabei trainiert die 10. Panzerdivision „die Verlegung und den geschlossenen mechanisierten Einsatz mit Kampf- und Schützenpanzern“ in Litauen.[11]

Ein „Schlachtfeldnetzwerk“

Die Teilübungen von Quadriga 2024 münden wiederum in Manöver anderer NATO-Staaten. Von Grand Center werden deutsche Soldaten weiterziehen, um an dem polnischen Manöver Dragon und an der US-amerikanischen Übung Saber Strike teilzunehmen [12]. Grand North wird übergehen in das Manöver Nordic Response, Grand South in Swift Response. Mit diesem Cluster simuliert die NATO ein „Schlachtfeldnetzwerk“ [13] entlang der russischen Westgrenze. Die Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen Manöver und die Staffelung der eingesetzten Truppen seien eine „enorme Herausforderung“, erklärt die Bundeswehr. Die Verschachtelung der Truppenbewegungen in teilweise nahtlos ineinander übergehende oder sich überlappende Einzelmanöver erschwert eine realistische Einschätzung über das tatsächliche Ausmaß des Aufmarsches.

„Bereit zu kämpfen“

Quadriga 2024 ist der deutsche Beitrag zum NATO-Großmanöver Steadfast Defender. Dabei werden die USA Truppen nach Europa verlegen und dann gemeinsam mit sämtlichen NATO-Mitgliedern an der Ostflanke den „Einsatz von Landstreitkräften“ in einem Krieg gegen Russland proben.[14] Mehr als 41.000 NATO-Soldaten trainieren dabei einen Waffengang gegen „einen Feind, der einer von Russland geführten Koalition nachempfunden ist“, berichtet die Financial Times. Dabei verwendet die NATO nach eigenen Angaben zum ersten Mal echte geografische Daten aus Osteuropa, um ihren Truppen „ein realistischeres Szenario“ vom potenziellen zukünftigen Einsatzgebiet zu bieten. NATO-Mitarbeiter äußerten gegenüber der US-amerikanischen Presse, mit dem Manöver wolle das Kriegsbündnis Moskau zeigen, dass es „bereit“ sei „zu kämpfen“.[15]

[1] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[2] Ausblick auf „Quadriga“ – größtes Manöver seit dem Kalten Krieg. reservistenverband.de 07.09.2023.

[3], [4] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[5] Ausblick auf „Quadriga“ – größtes Manöver seit dem Kalten Krieg. reservistenverband.de 07.09.2023.

[6] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[7] Ausblick auf „Quadriga“ – größtes Manöver seit dem Kalten Krieg. reservistenverband.de 07.09.2023.

[8] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[9] S. dazu Neue Macht, neue Truppen.

[10] Flyer Quadriga 2024. bundeswehr.de.

[11] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[12] Flyer Quadriga 2024. bundeswehr.de.

[13] S. dazu Kriegsübung trotz Pandemie.

[14] Heer und NATO-Partner starten 2024 ein Großmanöver. bundeswehr.de 30.11.2023.

[15] Nato to launch biggest military exercise since cold war. Financial Times 11.09.2023.

Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9440

Hinterlasse einen Kommentar