Nachfolgend wird ein Artikel zum 70. Jahrestages des Sieges des vietnamesischen Volkes gegen die französischen Kolonialisten in der Schlacht bei Dien Bien Phu im Mai 1954 aus den Mitteilungen der Kommunistischen Plattform Nr. 5/2024 abgedruckt:
Vor 70 Jahren: Dien Bien Phu – Sieg und doch kein Frieden
von Hellmut Kapfenberger, Panketal
Als am 7. Mai 1954 ein Kämpfer der vietnamesischen Volksarmee auf dem Befehlsbunker von Oberst de Castries stolz die rote Fahne mit dem goldenen Stern schwenkte, war nicht nur eine vermutlich einzigartige und deshalb zu Recht in die Militärgeschichte eingegangene Schlacht geschlagen. Mit der Erstürmung der gewaltigen Stützpunkt-Festung auf dem nordwestvietnamesischen Hochgebirgsplateau von Dien Bien Phu war auch nicht einfach Frankreichs Indochina-Expeditionskorps seiner Speerspitze beraubt und so der ganzen Militärmaschinerie der »Grande Nation« auf der indochinesischen Halbinsel das Genick gebrochen. Der grandiose, wenn auch teuer bezahlte vietnamesische Sieg in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Laos auf schwierigstem Terrain und unter kompliziertesten logistischen Bedingungen markierte, auch wenn Paris das zunächst noch nicht wahrhaben wollte, zugleich das Ende des jahrelangen Versuchs, mit massiver militärischer Gewalt sein einstiges Kolonialregime zu neuem Leben zu erwecken. Dieser Traum war definitiv ausgeträumt.
Ein Volk verteidigt die Früchte seiner Revolution
Was war der Entscheidung im Frühjahr 1954 vorausgegangen, und was kam danach? Vietnams Augustrevolution 1945, Krönung 15-jährigen organisierten Freiheitskampfes, hatte der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewaltsam errichteten französischen Kolonialmacht in Indochina und dem seit 1940 währenden japanischen Besatzungsregime den Todesstoß versetzt. Mit britischer logistischer Unterstützung und US-amerikanischem materiellem Segen aber begann 1946 ein großangelegter Rückeroberungsfeldzug eines von den USA hochgerüsteten, bereits 70.000 Mann starken neuen französischen Expeditionskorps. Die junge Demokratische Republik Vietnam (DRV), ausgeplündert und nahezu mittellos, und ihre noch schwachen, nur rudimentär ausgerüsteten Befreiungskräfte sahen sich einem materiell weit überlegenen Feind gegenüber. Unter schwierigsten Bedingungen war das Land unter der bewährten Führung der Kommunistischen Partei um Ho Chi Minh nun zu einem jahrelangen Kampf auf Leben und Tod gezwungen.
Paris war offenkundig dem Irrglauben erlegen, politischer Druck, mit Erpressung verbundene Scheinverhandlungen und militärische Gewalt, gestützt auf materiellen und rasch zunehmenden finanziellen Beistand aus Washington, würden Vietnams junge Volksmacht in die Knie zwingen. Es sollte sich jedoch erweisen, dass sich ein Volk, welches bereits jahrzehntelang für seine Freiheit gekämpft und dabei unermessliche Opfer gebracht hatte, nicht im Handstreich um die Früchte seiner Revolution betrügen lässt. Zwar konnte nicht verhindert werden, dass der Gegner weite Gebiete des Landes mitsamt der Hauptstadt Hanoi in seinen Besitz brachte. Die stetig erstarkenden, von der Bevölkerung landesweit nach Kräften unterstützten Befreiungstruppen und Partisanenverbände leisteten den Aggressoren aber immer erfolgreicher Widerstand. Auch die permanente Verstärkung seiner Truppen bewahrte das französische Oberkommando in Hanoi allmählich nicht vor verlustreichen, mit schmerzhaften Gebietsverlusten verbundenen Niederlagen in den ausgedehnten Gebirgsregionen des Landesnordens und selbst in den Flachlandgebieten entlang der Küste.
Ende 1953 zählte das Corps Éxpeditionnaire Francais en Éxtrême-Orient (CEFEO) inzwischen 250.000 Mann, Franzosen, Nordafrikaner und zu einem großen Teil deutsche Fremdenlegionäre. Hinzu kam eine rund 300.000 Mann zählende Armee der in Hue installierten Marionettenverwaltung unter Ex-Kaiser Bao Dai. Frankreichs Militärausgaben für den Feldzug überforderten längst seinen Haushalt. Waren 1951 noch 12 Prozent der Aufwendungen für den Indochina-Waffengang von den amerikanischen Steuerzahlern getragen worden, so waren es 1953 schon 60 Prozent. 1954 trug Washington gar zu 80 Prozent Frankreichs Kriegskosten. Das Volumen US-amerikanischer Kriegsmateriallieferungen nahm ebenso dramatisch zu. Es stieg von 6.000 Tonnen pro Monat 1951 bis Anfang 1954 auf monatlich 88.000 Tonnen. Per Schiff sowie über Luftbrücken aus Europa, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch der BRD, gelangten in jenen Jahren aus amerikanischen Depots 340 Kampfflugzeuge, 1.400 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, eine große Anzahl Lastwagen, hunderte Flussschiffe und Landungsboote, die Ausrüstung mehrerer Artillerieregimenter, 150.000 Tonnen Infanteriewaffen sowie Munition aller Art einschließlich Napalmbomben nach Vietnam.